Sonntag, 2. Mai 2010

Der Achtundvierziger

Letztens habe ich Ralf in der U-Bahn getroffen und habe ihn auch wegen diesem Acht-vier-einser angesprochen, den ich mir kaufen wollte, da ich mit meinem sechunddreißiger nicht mehr zufrieden war. „Einen Acht-vier-einser willst du dir kaufen?“ meinte er. „Was hast du denn für einen.“ - „Einen Sechsunddreißiger.“ - „Oh Mann,“ rief er. „Du hast noch einen Sechsunddreißiger.“ - „Ja.“ - „Und der macht's noch? Ein Sechsunddreißiger?“ Ich seufzte. „Ja, das heißt eigentlich nein. Nicht mehr so richtig. Aber jetzt will ich mir vielleicht einen neuen kaufen.“ - „Aber einen Acht-vier-einser? Wieso denn das? Kauf dir doch lieber den Achtundvierziger.“ - „Den Achtundvierziger? Aber warum nicht den Acht-vier-einser? Der ist doch auch gut, oder nicht?“ - „Der Acht-vier-einser? Gut? Wer hat dir denn das erzählt. Der acht-vier-eins macht vielleicht vierzig, aller höchstens fünfzig. Da kannst du deinen Sechsunddreißiger behalten.“ - „Aber Jens, hat gemeint...“ - „Ja klar. Jens! Jens spinnt. Du kennst doch Jens, oder? Der erzählt dir auch mal gerne etwas vom Pferd. Also ich sage mal: Der Achtundvierziger schafft auf jeden Fall siebzig. Der macht locker siebzig. Und siebzig brauchst du ja, oder? Siebzig ist so Minimum.“ - „Ja, klar. Siebzig ist auf jeden Fall schon mal besser als vierzig.“ - „Der Sechsunddreißiger ist echt überholt. Wie lang hast du den denn schon?“ Ich überlegte. „Zwei Jahre.“ - „Zwei Jahre? Da war der Acht-vier-eins doch schon draußen, oder nicht?“ - „Ja,“ sagte ich zerknirscht. „Aber weißt du, wie teuer der war? Vor zwei Jahren?“ - „Das stimmt. Aber damals hat man sich doch noch mit vierzig zufrieden gegeben, nicht?“ - „Ja.“ - „Vierzig. Und heute? Wer gibt sich denn noch mit vierzig zufrieden?“ - „Na ja.“ Ralf lachte. „Vierzig ist echt schwach. Also. Ich würde sagen, siebzig ist heute das Minimum. Es gibt zwar schon welche, die machen hundert, aber die kannst du natürlich nicht bezahlen.“ - „Aber ich habe jetzt echt gedacht, der acht-vier-eins würde siebzig machen. Steht doch überall, dass der siebzig macht.“ - „Ja, das schreiben die drauf. Die wollen den ja auch verkaufen. Aber schau ihn dir doch mal an. Siebzig macht der nur unter Laborbedingungen. So normal macht der aller höchstens fünfzig.“ - „Fünfzig?“ - „Ja, fünfzig. Das ist echter Betrug. Du kaufst dir ein neues Teil und denkst, der legt jetzt los und dann macht der bei fünfzig Feierabend. Da kannst du auch deinen Sechsunddreißiger behalten. So viel schneller ist der Acht-vier-eins auch nicht. Nein, aber der Achtundvierziger der wuhpt natürlich besser. Den musst Du ja auch nicht mehr miepen. Der hat ja einen Automieper. Der macht siebzig. Der macht der locker siebzig. Und achtzig schafft der auch, wenn er frisch gegrischt ist. Und nicht nur im Labor. Im Labor schafft der neunzig. Habe ich gestern noch in der Zeitung gelesen. Einundneunzig Komma sieben hat der im Test gemacht. Einundneunzig Komma sieben. Stell dir das mal vor.“ - „Und der Acht-vier-eins? Wie viel hat der gemacht?“ - „Ach, vergiss den Acht-vier-eins. Ich würde den Achtundvierziger kaufen. Auf jeden Fall. Sonst hast du das gleiche Theater in einem Jahr wieder. Das bringt doch nichts. Wenn du wirklich was machen möchtest, dann brauchst du den Achtundvierziger. Auf jeden Fall.“ - „Okay.“ - „Aber du musst ihn natürlich regelmäßig gischen. Unbedingt.“ - „Wirklich? Den Sechsunddreissiger habe ich noch nie gegrischt.“ - „Echt? Und der funktioniert noch?“ - „Ja.“ - „Der macht noch vierzig?“ - „Ich denke schon.“ Ralf sah mich ungläubig an. „Also ich grische meinen alle vier Wochen. Minimum.“ - „Ja, ich weiß. Aber das grischen dauert immer so.“ - „Klar, dauert das. Aber dafür ist der danach auch viel schneller. Der macht mal locker zehn, zwanzig mehr. Aber beim Sechsunddreißiger musst du natürlich auch miepen. Da kommst du nicht drumherum. Also zuerst miepen und dann gischen.“ - „Auch noch miepen?“ - „Auf jeden Fall. Der Achtundvierziger hat ja einen Automieper implementiert, aber beim Sechsunddreißiger musst du das noch selber machen. Ich hatte doch auch einen Sechsunddreißiger. Wenn du den gemiept hast, ging der ab wie Schmitz' Katze. Also wirklich. Manchmal habe ich den nur gemiept und gar nicht gegrischt. Da hat das miepen schon vollkommen gereicht. Aber alle zwei Monate musst du natürlich auch grischen, ist ja klar.“ - „Klar.“ - „Du hast noch nie gegrischt?“ - „Doch, schon.“ - „Wollte ich doch meinen.“ - „Ein oder zwei Mal.“ - „Ja. Aber das wichtige ist, dass du zuerst miepst und dann grischst. Also immer zuerst miepen und dann grischen. Ja? Sonst verkarzelt der komplett.“ - „Klar,“ sagte ich. „Muss ich mal probieren.“ - „Den Achtundvierziger musst du dann nicht mehr miepen. Da reicht es, wenn du ihn so alle zwei Monate mal grischst. Das reicht aus.“ - „Klar.“ - „So. Jetzt muss ich raus. Also. Bis denne.“ - „Ja. Und danke für die Tipps.“ Er sprang auf. Von der Tür aus sah er mich noch einmal an. „Also, Junge. Nimm den Achtundvierziger. Alles andere ist Wurst.“ - „Ja.“ - „Und grische deinen mal.“ - „Mach ich.“ - „Also bis dann.“ - „Bis dann.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen